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„Auf einen Gradsatz*“ – Interview mit dem Übersetzer Matteo Cais

Matteo Cais über mathematische Strenge beim Übersetzen, das Merkmal einer guten Übersetzung und Nachhaltigkeit als das Thema der Zukunft.

In unserer neuen Blog-Serie „Auf einen Gradsatz“ unterhalten wir uns mit verschiedenen Menschen aus unserem beruflichen Umfeld. Heute tauschen wir uns mit unserem langjährigen Übersetzer Matteo Cais aus. Er ist ein absoluter Crack in Sachen computer assisted translation und der schnellste Italienisch-Übersetzer, den wir je gesehen haben.

Matteo, wie hast du zu Mehrsprachigkeit und Übersetzung gefunden?

Matteo: Da ich nicht in der Schweiz geboren wurde, begann ich erst mit etwa zehn Jahren, Fremdsprachen zu lernen, zuerst Französisch und dann Englisch. Von Anfang an verspürte ich ein starkes Interesse an den unterschiedlichen Arten, mehr oder weniger das Gleiche zu sagen, so stark, dass ich mich dann entschieden habe, ein Sprachgymnasium zu besuchen (und auch Deutsch zu lernen). Anschliessend studierte ich an der Triester Hochschule für Dolmetscher und Übersetzer, wo ich Kenntnisse der spanischen Sprache hinzugefügte. Während dieser Zeit pflegte ich regelmässig Kontakte zu Menschen anderer Nationalitäten, wodurch ich allmählich ein Bewusstsein für die kulturellen Unterschiede und ihre Nuancen erlangte, die die gesamte Menschheit auszeichnen.

Inspiration vs. Transpiration: Ist Übersetzen ein kreativer Prozess oder knochenharte Arbeit?

Matteo: Das ist eine grossartige Frage. Nahezu täglich sehe ich mich mit Texten konfrontiert, die mir zeigen, wie echte Übersetzung eine Mischung aus Kreativität und mathematischer Strenge ist. Letztere ist ein notwendiges Element, um sicherzustellen, dass die Bedeutung des Ausgangstextes korrekt und eindeutig in einen anderen Sprachcode übertragen wird; erstere, um einen flüssigen Stil zu gewährleisten und dafür zu sorgen, dass die Übersetzung im Kopf der Leserschaft die gleiche Wirkung, die gleichen Ideen und Assoziationen entfaltet wie das Original.

Was bedeutet für dich eine «Übersetzung» in den Bereichen Kommunikation und Marketing?

Matteo: Seit einigen Jahren ist von Lokalisierung die Rede, dann hat man angefangen, von Transkreation zu sprechen, und wer weiss, mit welchem Wort in ein paar Jahren der Begriff des eigentlichen Umschreibens eines Textes definiert wird, um ihn dem Zweck zuzuführen, für den er von Anfang an gedacht war, nämlich irgendetwas zu verkaufen – Produkte, Dienstleistungen, aber auch Ideen und Überzeugungen. Man kann einer sprachlichen und kulturellen Gemeinschaft nichts verkaufen, wenn man dabei die Stilmerkmale einer fremden Gemeinschaft verwendet – es funktioniert nicht, der Text erzielt nicht die gewünschte Wirkung.

Was unterscheidet eine gute Übersetzung von einer sehr guten?

Matteo: Um auf die Kombination von Kunst und Wissenschaft zurückzukommen und vorausgesetzt, dass sich jedes einzelne Element des im Ausgangstext übermittelten Inhalts auch im übersetzten Text wiederfindet: Ich denke, dass eine Übersetzung dann als ausgezeichnet bezeichnet werden kann, wenn der Leser spontan glaubt, dass sie in der Zieltextsprache kreiert wurde (also gar keine Übersetzung ist).

Wie denkst du, sieht dein Beruf als Übersetzer in fünf Jahren aus?

Matteo: Es wird sicherlich eine sehr starke technologische Komponente im Beruf geben. Es wird viel über maschinelle Übersetzung gesprochen, wer weiss, wie sie sich in unserer Arbeitsweise durchsetzen wird. Ich gehöre nicht zu den Pessimisten, die glauben, dass unser Beruf verschwinden wird. Aber ich kann nicht die Augen davor verschliessen, dass IT-Tools mit der Zeit immer nützlicher werden.

Zieltext hat sich auf Übersetzungen rund um Nachhaltigkeit spezialisiert. Wie gross ist der Anteil deiner Projekte an dieser Thematik und wie hat er sich in den vergangenen Jahren verändert? 

Matteo: Das Konzept der Nachhaltigkeit wurde vor einigen Jahrzehnten mehr oder weniger leise geboren, ich wage zu sagen, ausgehend von einer Form des Respekts für die Umwelt und Ökologie, und entwickelte sich zu einem viel breiteren Konzept, das heute alle Sektoren durchdringt, von der Finanzwirtschaft bis zum Maschinenbau. Ich schätze, dass ich an mindestens drei von fünf Tagen die Woche an Texten, die sich mit Fragen des Klimawandels und der Nachhaltigkeit, der Biodiversität und der Ressourcenschonung befassen, arbeite: Es ist unbestreitbar das Thema der Zukunft.

 

*Der „Gradsatz“ ist im Zieltext-Team ein Running Gag. Nathalie wies Susanne, die sich in einer Erzählung verhedderte und keinen geraden Satz zu Stande brachte, mit den Worten „Mach doch mal einen Gradsatz!“ zurecht, womit sie ihre eigene Unfähigkeit grad auch noch bewies. Seither benutzen wir den „Gradsatz“ als Aufforderung, sich verständlich auszudrücken.

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